Im Beisein von viel Prominenz hat die Justice Initiative in Stockholm eine hochkarätige Konferenz durchgeführt. Guido Fluri zeigte dabei, wie Aufarbeitung in der Schweiz zu einem gesellschaftlichen Umdenken geführt hat.
2. Juni 2025
Ylva Johansson gehört zu den bekanntesten schwedischen Politikerinnen: Sie war Ministerin unter verschiedenen schwedischen Regierungen bevor sie Kommissarin für Inneres in der Kommission von Ursula von der Leyen wurde. In dieser Funktion engagierte sie sich unermüdlich für den Kinderschutz. Kurz bevor sie nach Australien aufbrach, eröffnete sie die «Justice Initiative Nordic Hub Conference» in Stockholm. Johansson erklärte, dass in ihrem Land der Fokus auf die Verbrechen der Zeit ungleich verteilt sei. So sei die Gang-Kriminalität mit Bombenanschlägen und Schiessereien in aller Munde, aber über Missbrauch werde viel zu wenig gesprochen, weil es sich hier um ein «stilles Verbrechen» handle.
Dem pflichtete auch Guido Fluri bei. In seiner Grundsatzrede zeigte er auf, wie allein eine umfassende Aufarbeitung die Mauer des Schweigens durchbrechen könne. Die Schweizer Wiedergutmachungsinitiative erfuhr unter den Anwesenden viel Beachtung. Ebenso die Resolution des Europarates, die dank der politischen Arbeit der Justice Initiative der Guido Fluri Stiftung zustande gekommen ist. Diese Resolution verlangt, dass die Mitgliedsstaaten eine Aufarbeitung nach Schweizer Vorbild an die Hand nehmen müssen. «Ich fordere die Politiker in Schweden auf, hier mehr in der Prävention, aber auch für die Überlebenden von Missbrauch zu unternehmen», so Fluri.
Wie dringend dieser Aufruf ist, zeigten die Zeugnisse von Minna, Saga und Scharliina, drei Überlebende von Missbrauch aus Finnland und Schweden. So berichtete Scharliina, die als Kind schweren Missbrauch erfahren hatte, wie sie bis zum heutigen Tag in Schweden keine Gerechtigkeit erfahren und keine Unterstützung erhalten habe.
Juno Blom, die Ombudsfrau für Kinder in Schweden, zeigte sich sichtlich betroffen. Sie betonte, dass man sich in Schweden stärker für Kinder einsetzen müsse. Sie werde eine Untersuchung machen, bei Behörden und Überlebenden nachfragen, was ihnen im Kampf gegen Missbrauch oder in der Bewältigung der traumatischen Erfahrung geholfen oder bis jetzt gefehlt hat. Auch Minna Ljunggren, die Staatssekretärin des Sozialministeriums, betonte, dass sexuelle Gewalt an Kindern völlig inakzeptabel sei und man mit neuen Gesetzgebungen bei den Sozialbehörden versuche, bei Verdacht früher eingreifen zu können.
Wie wichtig diese Ansätze sind, zeigte die Untersuchung, die Protect Children mit Unterstützung der Justice Initiative in Schweden durchgeführt hat. Nicht nur wurde die Mehrheit der Betroffenen als Kleinkinder missbraucht, viele würden das ganze Leben nie über das Erfahrene sprechen. Die Täter werden so nie zur Rechenschaft gezogen. Fast 70 Prozent der Befragten berichteten, dass sie von Staat und Gesellschaft keine Unterstützung erhalten hätten.
Es gibt viel zu tun, so Guido Fluri nach der Konferenz. Die Justice Initiative wird auch in den nordischen Ländern in den kommenden Monaten lobbyieren, damit die Aufarbeitung von Missbrauch einen grossen Schritt nach vorne kommt.