ANLAUFSTELLE KESCHA

KESCHA-Auswertung: Es braucht mehr private Beistände, mehr Umsicht bei Gefährdungs­meldungen und mehr Kommunikation zur Vertrauensbildung

Die unabhängige Anlaufstelle Kindes- und Erwachsenenschutz (KESCHA) wird rege genutzt: Im Jahr 2018 wurden fast 1'100 Fälle behandelt. Die Auswertung dieser KESCHA-Fälle durch die Universität Freiburg zeigt, dass im Erwachsenenschutz vor allem Probleme mit den eingesetzten Beiständen bestehen. Darum wird der verstärkte Einsatz von privaten Beiständen (Familienangehörige, ehrenamtlich tätige Privatpersonen etc.) empfohlen. Ein zugehöriges Postulat verlangt dazu die Prüfung einer Gesetzesänderung, wonach die KESB in jedem Fall die Möglichkeit der Einsetzung privater Beistände prüfen muss. Im Kindesschutz empfiehlt die Universität einen umsichtigen Umgang mit «Gefährdungsmeldungen» und hat dazu mit der KESCHA eine Broschüre entwickelt. Die dritte Empfehlung bezieht sich auf eine Verstärkung der Öffentlichkeitsarbeit, um das Vertrauen der Bevölkerung in die KESB zu stärken.

25. Januar 2019

Die grosse Nachfrage nach neutraler Beratung und Unterstützung im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht ist ungebrochen: Im Jahr 2018 hat die Anlaufstelle KESCHA in 1'093 Fällen Hilfesuchende beraten und psychologisch unterstützt. Für KESCHA-Präsident Guido Fluri ist klar: «Die hohen Fallzahlen belegen, dass die KESCHA als Anlaufstelle einer grossen Nachfrage und einem notwendigen Angebot entspricht.» Insgesamt fanden 1'644 einzelne Beratungsgespräche statt, etwa Zweidrittel betrafen das Kindesschutzrecht, ein Drittel das Erwachsenenschutzrecht.

Erwachsenenschutz: Private Beistände sollen – wenn immer möglich – Vorrang haben

Die Auswertung der KESCHA-Fälle zeigt, dass es bei Konflikten im Erwachsenenschutzrecht grossmehrheitlich (77.8%) um Konflikte mit Beiständen geht, die im Auftrag der Behörden tätig sind. Vielfach bemängeln die Hilfesuchenden bei professionellen Mandatsträgern bzw. Berufsbeiständen, dass diese zu wenig Zeit hätten, schlecht erreichbar oder nicht erreichbar seien, untätig blieben oder überlastet seien, oder dass es zu viele personelle Wechsel gäbe. Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Universität Freiburg, wenn immer möglich private Beistände mit grösserer zeitlicher Verfügbarkeit und Nähe zur betroffenen Person einzusetzen. Als Zielgrösse wird ein Anteil an privaten Mandatsträgern von 40% bis 50% angestrebt, was gewisse Kantone bereits erreichen.

Nationalrätin Ursula Schneider Schüttel, Präsidentin einer parlamentarischen Gruppe im Kindes- und Erwachsenenschutz, wird hierzu ein Postulat einreichen. Bei der Einsetzung von Berufsbeiständen hätte demnach die KESB zu begründen, weshalb die Einsetzung eines privaten Beistandes im konkreten Fall nicht möglich ist. «Gerade dort, wo nahestehende Personen vorhanden sind, die zur Übernahme der Beistandschaft bereit und auch geeignet wären, wäre es stossend, wenn die KESB ohne gewichtigen Grund einem Berufsbeistand den Vorrang geben würde», so Nationalrätin Schneider Schüttel. Aufgrund der differenzierten Betrachtung wird die Empfehlung der Universität Freiburg und das Postulat von der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz (KOKES)
unterstützt. Kokes-Generalsekretärin Diana Wider: «Der Einsatz von Privatpersonen als Beiständinnen und Beistände hilft allen Personen mit zeitlich intensivem Betreuungsbedarf. Die KOKES unterstützt daher geeignete Massnahmen zum vermehrten Einsatz von engagierten Privatleuten.»

Kindesschutz: Gefährdungsmeldungen (nur) dort wo nötig

Nicht nur bei körperlicher, psychischer oder sexueller Gewalt werden «Gefährdungsmeldungen» an die KESB gemacht, sondern auch als Folge von Paarkonflikten – dies zeigt die Auswertung der KESCHA-Fälle. Paarkonflikte wirken sich oft sehr negativ auf die Kinder aus: Wenn Eltern streiten, leiden die Kinder. Gefährdungsmeldungen können hilfsbedürftigen Kindern zum nötigen Schutz verhelfen. Aber für die Betroffenen kann die Gefährdungsmeldung eine Belastung darstellen. So zeigt die Auswertung, dass häufig Hilfesuchende die Gefährdungsmeldung als aus der Luft gegriffen oder gar böswillig motiviert angesehen haben.
Um das hilfsbedürftige Kind in den Fokus zu bringen, hat die Universität Freiburg in Zusammenarbeit mit der KESCHA einen Leitfaden entwickelt: Demnach ist die Gefährdungsmeldung – auch bei Paarkonflikten – angezeigt, wenn das Kindeswohl gemäss einer Checkliste gefährdet ist. Wo das Kind dagegen nicht direkt gefährdet ist, sind zum Schutz des Kindes andere Optionen zu prüfen, etwa das Gespräch mit den betroffenen Personen, oder die Zuhilfenahme einer Fachstelle.

Ein Mitarbeiter der Anlaufstelle bei einem telefonischen Beratungsgespräch
Ein Mitarbeiter der Anlaufstelle bei einem telefonischen Beratungsgespräch
Ein Mitarbeiter der Anlaufstelle bei einem telefonischen Beratungsgespräch

Allgemeine Empfehlung: Mehr Kommunikation zur Vertrauensbildung

Die Befragung und Auswertung durch die Universität Freiburg belegt, dass die KESCHA viel Informations-, Erklärungs- und Beratungsarbeit übernimmt. In vielen Fällen zeigt sich, dass die Arbeit der KESB und der Beistände in der Bevölkerung teilweise kritisch wahrgenommen und teilweise mit Misstrauen begegnet wird. Dies gefährdet die Grundlage für eine wirkungsvolle Zusammenarbeit mit den schutzbedürftigen Kindern und Erwachsenen. Daraus leiten die Studienmacher, Prof. Alexandra Jungo und Prof. Dominik Schöbi, die dritte Empfehlung ab: Die Kantone sollen vermehrt in die proaktive Kommunikation und Medienarbeit investieren, um der Bevölkerung die Arbeits- und Funktionsweise der KESB und Beistände vorzustellen. Damit wird Verständnis und Vertrauen gewonnen, was sich positiv auf den Verfahrensablauf und die Zusammenarbeit mit der betroffenen Person auswirkt. Als positives Beispiel wird explizit das Engagement des Kantons Schwyz erwähnt, wo die KESB in mehreren Gemeinden an öffentlichen Veranstaltungen ihre Arbeit vorgestellt hat.

Zurück zur Übersicht

Datenschutzhinweis

Diese Webseite verwendet Cookies zur Unterstützung der Benutzerfreundlichkeit sowie zur Optimierung der Inhalte.
Datenschutzinformationen

Notwendige Cookies werden immer geladen