Joachim Eder
ALT-Ständerat

Als Mitglied des Initiativkomitees erlebte der Zuger FDP-Alt-Ständerat die Wieder­gut­machungs­initiative aus nächster Nähe.

«Eine Sternstunde der Schweizer Politik»

Sie haben sich energisch für die Wiedergutmachungsinitiative stark gemacht. Wie kamen Sie als Freisinniger zu dieser Rolle? Was den Verdingkindern widerfahren ist, hat ihre Freiheit, ihre Würde und ihre körperliche Unversehrtheit verletzt. Als Liberaler konnte ich mich deshalb voll und ganz hinter die Wieder­gut­machungs­initiative stellen. Als ich nach meinem ersten Gespräch mit Guido Fluri seine Büro­räumlichkeiten verliess, hatte ich keine Zweifel mehr. Zugesagt habe ich aus tiefster innerer Überzeugung, denn hier ging es um ein ethisches und moralisches Anliegen.

Inwiefern erlebten Sie Widerstand aus der eigenen Partei? Im Anschluss an das Treffen mit Guido Fluri habe ich umgehend Gabi Huber, die damalige Fraktions­chefin, den Präsidenten Philipp Müller und General­sekretär Stefan Brupbacher über meinen Entscheid informiert. Gabi Huber antwortete, sie sei zwar inhaltlich mit den geforderten Solidaritäts­zahlungen nicht einverstanden, aber sie habe grossen Respekt vor dem, was ich tue. Diese positive Reaktion bestätigte mich in meinem Vorhaben. Dass wir schliesslich alle FDP-Parlamentarier, ausser einen, für den Gegen­vorschlag gewinnen konnten, ist ein schöner Erfolg für den Freisinn. Die Partei hat ein starkes Zeichen für die Opfer gesetzt. Dies hat mich sehr gefreut.

Was unterscheidet die Wieder­gut­machungs­initiative von anderen Initiativen, die Sie erlebt haben? Politisch ist diese Initiative einer der Höhe­punkte meiner Politkarriere. Ich bezeichnete die Annahme des Gegen­vorschlags in einer Rede als historischen Moment. Diese Worte nehme ich fast nie in den Mund. Ein Unter­schied zu anderen Initiativen war, dass es um mehr als ein politisches Anliegen ging. Es ging um einen Auftrag an unsere Generation, etwas wieder­gut­zu­machen, das vor unserer Zeit geschah und nach­weislich nicht hätte passieren dürfen. Ausser­ordentlich war auch das Tempo, in dem die Initiative voran­getrieben wurde und in dem der Gegen­vorschlag durch das Parlament ging. Die Wieder­gut­machungs­initiative ist eine Sternstunde der Schweizer Politik. Wobei ich auch Bundesrätin Simonetta Sommaruga und Luzius Mader, den stell­vertretenden Direktor des Bundes­amts für Justiz, erwähnen möchte, die beide hervorragende Arbeit geleistet haben.

Ständerat Joachim Eder
Ständerat Joachim Eder

Sie hatten viel Kontakt mit den Betroffenen selbst. Wie erlebten Sie diese Momente? Ja, zum Beispiel in Mümliswil in der Gedenk­stätte. Das waren beein­dru­ckende und erinnerung­swürdige Begeg­nungen. Nicht vergessen werde ich auch die leuchtenden Augen der Opfer nach der Schluss­abstimmung im Parlament. Das ging tief.

Wie ist es als Parlamentarier, wenn jemand von aussen in die Politik eingreift, unter anderem mit finanziellen Mitteln? Es ist kein Geheimnis, dass es finanzielle Unter­stützung braucht, um ein Anliegen durchzubringen. Darin sehe ich kein Problem. Suspekt wird es dann, wenn jemand für sich selbst einen Vorteil bewirken will. Wenn er sich mit einem politischen Entscheid zu bereichern versucht. Das wollte Guido Fluri nie, im Gegenteil: Was Guido gemacht hat, war wohl­tätig und einmalig. Ich finde es sehr positiv, wenn jemand, der wohl­habend ist, sein Geld für soziale und gemein­nützige Zwecke einsetzt oder wie in diesem Fall ein wichtiges Anliegen in die Politik getragen wird.

Man kann heute nicht nach­vollziehen, wie es zu diesen Missständen kommen konnte. Gibt es auch heute Dinge, die wir nicht sehen? Das ist nicht aus­geschlossen. Aber wir sind heute mehr sensibilisiert und aufmerk­samer. Die Medien als vierte Macht decken zudem sehr viel auf. Guido Fluri hat den Verding­kindern eine Stimme verliehen.

Welche Gruppierungen haben heute eine zu wenig starke Stimme? Das sind sicher die allseits bekannten Minder­heiten, die aufgrund ihrer Bildung oder ihrer sozialen Situation zu wenig Kraft haben sich zu wehren. Viele ältere Menschen, die nur mit der AHV auskommen müssen, haben mich angerufen und mir gesagt «schaut mehr zu uns» – das empfand ich als Warnruf.

Wie können wir bewirken, dass wir den Anliegen der heutigen Gesell­schaft die nötige Aufmerksamkeit schenken? Wir müssen die berechtigten Anliegen aller Gruppierungen ernst nehmen. Wir müssen viel mehr hinsehen und nicht wegschauen.

www.jeder.ch


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